Salomé

Salomé ist seit ihrer Geburt mit schweren Ausscheidungsproblemen konfrontiert. Das führt zu massiven Eingriffen für das Mädchen und die Lage spitzt sich immer mehr zu. Lesen Sie hier, wie es gelingen kann, solch traumatisch erlebte Eingriffe in eine Pflege zu führen, die das Mädchen mitgestalten kann. Und wir Erwachsene ihr so die Möglichkeit geben können, vom Gefühl des «ausgeliefert seins» in eine aktive Rolle in Bezug auf ihre Gesundheit und ihren Körper zu gelangen. Eine wichtige Voraussetzung – nicht nur für das Gelingen der Pflege - sondern vor allem auch für Salomé selbst in ihrem persönlichen Umgang mit ihrem Körper und ihrer Gesundheit.

Die Mutter erzählt:

Salomé hat seit ihrer Geburt am 8. Dezember 2016 Verdauungsprobleme. Am Anfang waren es viele Koliken, häufiges Spucken, extreme Bauchschmerzen und sie litt kontinuierlich an Verstopfung. Sie hatte auch viel erbrochen und oft sehr hohes Fieber. Durch ihre anhaltenden Probleme hatten wir sehr viele schwierige Tage und Nächte. Wir mussten sie sehr viel tragen; sie war oft schlecht gelaunt, weinte viel und hatte wenig Bewegungsdrang. Oft mussten wir warten bis sich die Verdauung von Salomé beruhigte – danach konnten wir mit dem Alltag fortfahren. Ihre kleine Schwester Aline, welche am 1. Juli 2018 geboren wurde, musste oft zurückstecken, da Salomé sehr oft unsere volle Aufmerksamkeit brauchte.

Die Kinderärzte haben diese Probleme fortlaufend abgeschwächt und uns versichert, dass es zur normalen Entwicklung gehört. Das Abführungsmittel für die Verdauungsprobleme sollten wir als eine Art «Vitamine» betrachten. Das Verständnis für unseren schwierigen und belastenden Alltag fehlte gänzlich und unsere Verzweiflung war sehr gross. Nebst den vielen Besuchen in der Kinderarztpraxis suchten wir genauso sehr nach Lösungen in der Alternativmedizin, in einer optimalen Ernährung sowie in der Psyche. Ohne Erfolg. Salomés Bauch wurde immer dicker, bis wir eines Tages wegen zwei Leistenbrüchen auf dem Notfall landeten. Ihr Dickdarm war mittlerweile so gross, dass er diverse Organe nach oben in den Brustkorb gedrückt hatte und beide Leisten dem Druck des Darmes nicht mehr standhalten konnten. Im Spital nahm man uns endlich ernst! Sie sprachen zum ersten Mal von einem Morbus Hirschsprung – einer Darmerkrankung. Da der Darm so schnell wie möglich entlastet werden musste, wurden unserer Tochter umgehend tägliche Darmspülungen verordnet. Am Anfang gingen wir mit Salomé jeden Tag ins Spital, um diese Einläufe durchführen zu lassen. Für Aline konnte in dieser Zeit zum Glück unsere Familie sorgen. Die Ärzte haben uns bei den Spülungen schnell miteinbezogen, da wir diese künftig zuhause machen mussten. Die Einläufe waren grauenvoll und unsere Verzweiflung wuchs. Eine Tortur für unsere Tochter! Zum Glück wurde schnell die Kinderspitex eingeschaltet. Zuhause konnten wir mit der Kinderspitex ein richtiges Ritual aufbauen. Mit Fussmassage, Velofahren, Kuscheldecke, Zauber-Crème, Video schauen sowie am Schluss «Chläberli sammeln» als Belohnungssystem wurden die Spülungen langsam erträglicher. Da Aline während der Pflege verständlicherweise auch die Aufmerksamkeit suchte, mussten wir sie weiterhin während dieser Zeit betreuen lassen.

Die Leisten wurden operiert und gleichzeitig eine Biopsie im Dickdarm mit Verdacht auf Morbus Hirschsprung durchgeführt. Die Einläufe im Spital waren fürchterlich und nach dem Spitalaufenthalt war es auch zuhause extrem schwierig. Es dauerte eine Weile bis es sich wieder eingespielt hatte. Das Ergebnis der Biopsie war leider nicht ausreichend, um den Morbus Hirschsprung auszuschliessen oder nachzuweisen. Mittlerweile verliefen die Darmspülungen zuhause wieder sehr gut und Aline konnte sogar mit dabei sein.

Wir machten uns auf die Suche nach weiterer Unterstützung in einem anderen Spital. Nach verschiedenen Gesprächen gelangten wir dort endlich an Fachleute, die uns verstanden und unsere Situation kannten. Uns wurde eine zweite Biopsie empfohlen, um den Morbus Hirschsprung wirklich auszuschliessen. Da wir wussten, dass wir auch diesmal im Spital den Darm spülen müssen, nahmen wir alle Helferutensilien wie Kuscheldecke, Zauber-Crème etc. mit. Das übliche Ritual von zuhause durften wir im Spital durchführen und so hat es auch dort super funktioniert. Das Ergebnis der zweiten Biopsie schloss nun den Morbus Hirschsprung definitiv aus. Nun waren wir einen Schritt weiter und doch irgendwie wieder am Anfang. Wissen, dass dein Kind ein Problem hat, aber nicht zu wissen weshalb – ein schwieriger Gedanke. Doch wir haben weiterhin die Unterstützung der Kinderspitex und der Ärzte des zweiten Spitals, die weitere Untersuchungen vornehmen werden.

Wir sind sehr dankbar über die grosse Hilfe unserer Familie und der Kinderspitex, wir schätzen dies sehr! Merci beaucoup!

 

Kinderspitex:

Ich klingle an der Tür und Salomé begrüsst mich mit einem Lächeln und erzählt freudig, was sie gerade am Machen ist und dass sie sich bereits für den Einsatz vorbereitet hat. Es herrscht eine gelassene und unbeschwerte Stimmung.

Dies war leider nicht immer so. Ich lerne Salomé im Februar 2020 im Spital kennen. Damals hatte sie schon mehrere Untersuchungen sowie Abklärungen hinter sich. Die Darmspülungen waren sehr schwierig für Salomé. Sie musste festgehalten werden und weinte während den Eingriffen. Für uns von der Kinderspitex war schnell klar, dass wir einen gemeinsamen Weg mit Salomé finden mussten. Wir wollten sie aktiv miteinbeziehen und dafür sorgen, dass die Spülungen, die sie täglich benötigte, zu einem Teil ihres Alltags werden und nicht mehr einen solch massiven Übergriff bedeuten.

Gemeinsam mit dem Team und den Eltern suchten wir nach Lösungen. Unser Ziel war es, zu verhindern, dass Salomé ein bleibendes Trauma erleidet. Durch unsere Erfahrung im Team im Umgang mit traumatisierten Kindern konnten wir in einem ersten Schritt für Salomé ein «Hälferkistli» zusammenstellen. Wir starteten die Spülung zuhause mit einer kleinen Entspannung und Ablenkung. Dabei wendeten wir Bauch-, Rücken- oder Fussmassagen an, sangen Lieder oder das «G’spängstli» machte bei ihrem Körper die Runde - eine elektrische Zahnbürste mit einem kleinen Tuch darüber. Das «G’spängstli» blockiert durch die Vibration den Schmerz an der Stelle, wo es benötigt wird. Dies ist eine wichtige und erprobte Vorgehensweise aus den sogenannten nichtmedikamentösen Anwendungen bei Schmerz. Salomé reagierte positiv darauf und baute langsam das Vertrauen zu uns auf. Dennoch war die Spülung an sich nach wie vor sehr schwierig für sie.

Der stetige Austausch mit den Eltern spielte eine zentrale Rolle sowie die Anregungen einer Kinderpsychologin. Neue Erkenntnisse wurden ausgetauscht und der Ablauf der Eingriffe konnte optimiert werden. Nach ein paar Wochen waren wir soweit, dass Salomé nicht mehr weinen musste. Sie half bei den Vorbereitungen zur Spülung mit und kannte sich bereits bestens aus. Das alles war für die Eltern, aber auch für uns ein grosser Schritt und brachte die lang ersehnte Erleichterung. Wir konnten erfahren, dass Salomé auf diesem Weg die Eingriffe tolerieren kann.

Mit viel Geduld und Motivation seitens der Eltern, Salomé und uns erreichten wir abermals, dass sie ohne Tränen und sich wehren die Pflege tolerierte. Ein paar Monate später stand eine zweite Biopsie an. Salomé ging gelassener an den Spitalaufenthalt heran und machte es hervorragend. Es wurde deutlich, dass es gelungen war, ihr mehr Sicherheit im eigenen Umgang mit auf den Weg zu geben. Zuhause merkte man dann aber, dass sie nicht mehr so gelassen schien wir vor dem Aufenthalt. Zu Beginn musste sie wieder etwas weinen. Dennoch ging es schon viel besser als nach dem ersten Spitalaufenthalt.

 

Mittlerweile sind wir soweit, dass Salomé bei den Vorbereitungen zur Darmspülung fleissig mithilft, den Ablauf genau kennt und bestens weiss, was wohin gehört. Sie mag viel erzählen und lachen. Ein Wecker gibt das Startzeichen, wann die Spülung beginnt. Salomé kraxelt dann auf ihren Prinzessinnenplatz – ausgestattet mit einem Stillkissen zum Liegen, dem Nuggi, ihrer rosa Kuscheldecke und ihrem «Bo». Sobald sie parat liegt, darf sie bis zum Ende des Vorgangs ein Filmli auf dem Handy schauen. Sie kennt sich da schon sehr gut aus. Geschichten vom «Petit Ours Brun» zum Beispiel begleiten sie durch die gute halbe Stunde. Ihre kleine Schwester ist auch fröhlich mit dabei, was für die Eltern ebenso ein grosses Ziel war – so kann sie ihre Schwester auf ihrem Weg begleiten. Ein Elternteil massiert Salomé währenddessen den Bauch. Das «G’spängstli» benötigen wir schon länger nicht mehr. «Das bruchi nömme», äusserte sich Salomé damals. Und zum Schluss dürfen die Kleberli nicht fehlen, welche sie zur Belohnung jeweils aufkleben kann.

Salomés Weg ist leider noch nicht vorbei - es benötigt weitere Untersuchungen und bis dahin jeden zweiten Tag die Darmspülung. Diese Geschichte zeigt jedoch, wie wir gemeinsam grosse Fortschritte erreichen können und so den Kindern ein bleibendes Trauma ersparen können. Es benötigt viel Motivation um Rückschläge zu überbrücken. Etwas, was für Salomé und ihre Eltern oft nicht einfach ist. Doch sie hat viel an Selbstvertrauen gewonnen und ich bin mir sicher, dass sie ihren Weg zusammen mit ihrer Familie erfolgreich meistern wird.

 

// Text: Mutter von Salomé und Karin Stadelmann, Pflegefachfrau HF

// Im Bild: Salomé mit Mutter und Schwester Aline und Pflegefachfrau Karin Stadelmann