Leonie

Es begann alles ganz normal, bis die Eltern von Leonie sich mit einer Diagnose konfrontiert sahen, die ihr Leben komplett veränderte. Hier erzählen sie, wie sie damit umgegangen sind, was ihnen geholfen hat und sie machen anderen Eltern Mut auf ihrem Weg...

Kinderspitex:
Am 18. April 1998 kam Leonie als gesundes Baby zur Welt. In den ersten Monaten entwickelte sie sich normal und es fielen keine Besonderheiten auf. Mit neun Monaten jedoch konnte Leonie weder frei sitzen noch kriechen. Erste Untersuchungen im Kinderspital Aarau wurden durchgeführt. Später erfuhren die Eltern, dass ihre Tochter unter dem Rett-Syndrom, einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, leidet.

Die Mutter:
Bis zu jenem Tag im September 2000 hofften wir immer, dass es eine Lösung gibt, welche unserer Tochter helfen könnte, oder eine Diagnose, welche nicht so gravierende Folgen hätte. Aber die Diagnose Rett-Syndrom war endgültig und wir mussten uns damit auseinandersetzen und versuchen, unser Leben anzupassen. Wir nahmen Kontakt auf mit anderen betroffenen Eltern. Dies war anfangs sehr schwer für uns, aber es half uns auch sehr, zu sehen und zu hören, wie andere Eltern damit umgehen. Daraus entstanden mit der Zeit sehr schöne Freundschaften.

Leonie wurde bis zum Zeitpunkt der Skoliose-Operation von ihrer Mutter gepflegt und betreut. Erst danach kam es zu den ersten Kinderspitex-Einsätzen.

Die Mutter:
Im Oktober 2010 musste Leonie ihre starke Skoliose im Kinderspital Basel operieren lassen. Bis dahin hatte sie jahrelang ein Korsett tragen müssen, welches aber die fortschreitende Verkrümmung der Wirbelsäule nicht verhindern konnte. Im Kinderspital Basel wurde ich erstmals auf die Kinderspitex Nordwestschweiz aufmerksam gemacht. Das Pflegepersonal nahm den ersten Kontakt mit der Kinderspitex auf. Nach drei Wochen Spitalaufenthalt wurde unsere Tochter entlassen. Ich fühlte mich sicherer, eine erfahrene Pflegefachfrau zu Hause an meiner Seite zu wissen. Denn es war eine schwierige acht-stündige Operation gewesen, welche Leonie über sich ergehen lassen musste. Bis die lange Narbe an ihrem Rücken verheilt war, bestand das Risiko einer Infektion. Nach der Operation musste Leonie ein Korsett als Schutz tragen. Ich war froh, in der Pflege Unterstützung zu haben und eine professionelle Beratung beanspruchen zu können. Seither kommt die Kinderspitex regelmässig und unterstützt uns.

Kinderspitex:
Seit November 2010 begleiten und unterstützen wir von der Kinderspitex Leonie und ihre Familie. Wir helfen Leonie, sich am Morgen für den Tag bereit zu machen. Leonie hat eine Magensonde. Flüssigkeit und Medikamente werden über die Sonde verabreicht. Leonie mag nicht trinken. Ohne die Sonde würde sie viel zu wenig Flüssigkeit zu sich nehmen. Die Mahlzeiten werden Leonie zerkleinert eingegeben. Dies benötigt viel Zeit. Doch Leonie braucht diese Zeit, damit sie die für sie angemessene Menge Nahrung bekommt.

Dann wird sie vom Taxi abgeholt, welches Leonie in die Tagesstätte fährt. Leonie ist in allen Bereichen der täglichen Aktivitäten auf Hilfe und Pflege von Dritten angewiesen.

Im April 2018 wurde Leonie zwanzig Jahre alt. Es wird sich im Leben von ihr und ihrer Familie einiges ändern. Der Wechsel vom Kinderarzt zum Hausarzt steht bevor, analog dem Wechsel vom Kinderspital Aarau zum Kantonsspital Olten, welcher bereits vor zwei Jahren vollzogen wurde. Die Ablösung von der Kinderspitex durch die Gemeindespitex wird folglich der nächste Schritt als junge Erwachsene sein.

In dieser langen Zeit unserer Pflege ist ein grosses Vertrauensverhältnis entstanden. Leonie hat uns mit ihrem Lachen immer wieder aufs Neue verzaubert, und uns immer sehr deutlich gezeigt, ob es ihr gut geht. Wenn man Leonie in das lachende Gesicht schaut, scheint die Sonne, und durch dieses Lachen hat sie uns in der Pflege viele kleine schöne Momente geschenkt.

Den Eltern von Leonie war es immer sehr wichtig, dass Leonie auch Kontakt ausserhalb der Familie haben kann. Auf Anraten der damaligen Früherzieherin wurde der erste Entlastungsaufenthalt im Jahr 2001 im  Solothurnischen Zentrum Oberwald  in Biberist (SO) organisiert. Später wechselte Leonie ins  Sonderschulheim Blumenhaus  in Kyburg-Buchegg. Leonie verbrachte dort zweimal im Jahr Ferien und auch zwischendurch ein Wochenende.

So konnten die Eltern auch mal mit den beiden älteren Geschwistern Zeit verbringen, sich ganz intensiv um diese kümmern und etwas gemeinsam unternehmen. Mit einem Kind im Rollstuhl ist leider nicht jeder Ausflug realisierbar oder mit einem grossen zusätzlichen Aufwand und Kraftakt verbunden.

Die Mutter:
Im Jahr 2008 wurde von zwei engagierten Müttern der Verein Trittbrett in Aarau gegründet. Einmal im Monat, jeweils samstags, findet ein Trittbrett-Tag statt. Die Daten werden bei Jahresbeginn für das ganze Jahr festgelegt. Das Trittbrett bietet behinderten Kindern Freizeitangebote wie Basteln, Spaziergänge, auch Ausflüge in den Zoo, Papiliorama etc. Es wurden sogar kleine Sommerlager organisiert. Diese Tage wurden, je nach Gesundheitszustand und Verfassung von Leonie, gerne genutzt. Dies ermöglichte uns Eltern, ein paar Stunden für uns zu haben.  Lädelen , zusammen einen Kaffee trinken oder ein gemeinsames Mittagessen – dies haben wir sehr genossen und konnten wieder kurz Kraft tanken. Was für andere normal und spontan möglich ist, muss von uns lange im Voraus geplant und organisiert werden. Leider ist Leonie mit achtzehn Jahren auch hier  herausgewachsen .

Mit dem neuen Lebensabschnitt änderte sich sehr viel. Der Austritt aus der Heilpädagogischen Schule resp. der Eintritt in die Tagesstätte Schärenmatte wurden vollzogen. Dies war für uns Eltern ein grosser Schritt und eine echte Umstellung. Auch die ganzen administrativen Belange kamen auf uns zu. Hier wurden wir von der proinfirmis beraten und unterstützt. Nun folgt der Wechsel von der Kinderspitex zur Gemeindespitex. Dies wird sicher auch einige Veränderungen mit sich bringen, da die Gemeindespitex anders aufgebaut und organisiert ist. 

Kinderspitex:
Wir wünschen Leonie einen guten Start in ihrem neuen Lebensabschnitt, ich persönlich werde ihr Lachen, das sie mir jedes Mal zur Begrüssung geschenkt hat, vermissen.

// Text: Daniela Burkhalter, Pflegefachfrau HF, und Mami von Leonie