Gülsüm

Die Kinderspitex Nordwestschweiz betreut immer wieder Kinder mit Diabetes Typ I...

Das bedeutet, dass der Körper lebenslang auf eine entsprechende Insulingabe angewiesen ist, da die zuständigen Zellen in der Bauchspeicheldrüse durch das eigene Immunsystem zerstört werden.
In der Regel erfolgen die Einsätze der Kinderspitex nur bei Fremdbetreuung – die Eltern werden während des Aufenthalts im Kinderspital geschult. Und meistens sind die Einsätze nur vorübergehend, bis die Kinder – je nach Alter – das Handling entweder selbständig übernehmen können oder die betreuenden Personen die Kapazität und Sicherheit im Umgang damit haben. Gülsüm erzählt uns von ihrem Alltag.

Kinderspitex:
Wann wurde der Diabetes bei dir entdeckt?

Gülsüm:
Vor gut einem Jahr.

Kinderspitex:
Wie hast du es bemerkt? Wie ist es dir gegangen?

Gülsüm:
Meine Mutter fand, es gehe mir sehr schlecht. Ich habe kaum gegessen, sehr viel Wasser getrunken und musste dementsprechend häufig Wasserlösen. Ich hatte Schmerzen in der Nierengegend und habe mich auch sonst sehr unwohl gefühlt.

Kinderspitex:
Wie ist es im UKBB weitergegangen?

Gülsüm:
Ich kam auf die Intensivpflegestation mit zwei Infusionen, eine davon mit Insulin. Ich hatte sehr hohe Blutzucker-Werte und der ganze Stoffwechsel war durcheinandergekommen. Soweit ich mich erinnern kann, war ich eine Woche auf der Intensivpflege und danach kam ich auf die Station, wo ich mich so gut erholt habe, dass ich auch etwas mithelfen durfte bei den Hintergrundarbeiten. Das habe ich sehr gerne gemacht.

Kinderspitex:
Wie war die Schulung und was musstest du alles lernen? Kannst du uns erzählen, was FIT (Funktionelle Insulintherapie) bedeutet?

Gülsüm:
Ich musste viel lernen zum Handling des Diabetes; wie und wie häufig ich den Blutzucker messen muss, welche Werte zu hoch und welche zu tief sind, wie das Insulin und das Spritzen funktionieren, welche Lebensmittel Kohlenhydrate enthalten und wie ich ausrechnen kann, wieviel Insulin ich jeweils spritzen soll. Bei der funktionellen Insulintherapie darf ich fast alles essen und muss keine fixe Diät einhalten. Praktisch bei jeder Mahlzeit spritze ich die Menge an benötigtem Insulin – entsprechend der in den Lebensmitteln
enthaltenen Kohlenhydrate.

Kinderspitex: Was bedeutet dies nun in deinem Alltag? Magst du uns von deinem Tagesablauf erzählen?

Gülsüm:
Wenn ich am Morgen aufwache, muss ich mir als Erstes ein langwirksames Insulin spritzen. Danach muss ich vor dem Frühstück den Blutzucker messen. Wenn ich entschieden habe, was ich essen möchte, muss ich alles, was Kohlenhydrate enthält, abwägen und berechnen oder auf der Packungsbeilage schauen, wie viele Kohlenhydrate eine Portion hat. Danach rechne ich mit einem Faktor, der in einem Schema festgehalten ist. Es braucht nicht bei allen Mahlzeiten gleich viel Insulin und so ist dieser Faktor unterschiedlich, je nach Mahlzeit. Wenn der Blutzucker eher tief ist, kann ich gleich mit dem Essen anfangen, nachdem ich das Insulin gespritzt habe. Wenn er hoch ist, muss ich noch etwas zuwarten.

Beim Mittagessen, Zvieri und Abendessen ist das gleiche Vorgehen, beim Znüni darf ich je nach Zuckerwert ein Znüni mit Kohlenhydraten ohne Spritzen essen, oder ich esse sogenannte freie Werte, also etwas ohne Kohlenhydrate. Falls mein Zuckerwert über einem bestimmten Limit ist, muss ich auch zwischen den Mahlzeiten noch schnellwirksames Insulin spritzen. Falls der Zuckerwert zu tief ist, muss ich Kohlenhydrate zu mir nehmen, welche vom Körper schnell aufgenommen werden. Am Abend muss ich ein zweites Mal das langwirksame Insulin spritzen. Vor dem Schlafengehen ist nochmals Zuckerwert-Kontrolle und ich muss evtl. nochmals etwas essen, um eine Unterzuckerung im Schlaf möglichst zu vermeiden. Zurzeit habe ich wieder sehr schwankende Zuckerwerte und mein Wert muss auch in der Nacht und am morgen früh nochmals gemessen werden. Für die Zuckerwert-Kontrolle habe ich übrigens mittlerweile ein Gerät mit einem Sensor, welches mir kontinuierlich den Gewebezucker misst und so muss ich nur mit dem Gerät über den Sensor fahren, damit ich weiss, wie mein Zuckerwert ist. Ich muss nur noch in Ausnahmefällen mit einem Stich in den Finger den Blutzucker messen, was eine etwas genauere Angabe über den aktuellen Wert ermöglicht. Den Sensor am Oberarm muss ich alle zwei Wochen wechseln.

Kinderspitex:
Das tönt nach einem vollen Tagesprogramm und auch etwas kompliziert. Hast du dich denn daran gewöhnt? Und gibt es auch etwas, was dir Mühe macht?

Gülsüm:
Ich habe mich an die diversen Kontrollen des Zuckerwerts und das kontrollierte Essen, sowie das  Insulinspritzen, gewöhnt. Es gibt aber schon Momente, in denen ich Mühe habe, dass ich das immer machen muss. Die Anderen dürfen meistens einfach essen, worauf sie gerade Lust haben und bei mir geht das nicht. Mittlerweile habe ich auch Mühe mit dem Traubenzucker, den ich zu mir nehmen muss, wenn ich eine Unterzuckerung habe. Das ist mir ziemlich verleidet.

Kinderspitex:
Warst du froh um die Unterstützung der Kinderspitex?

Gülsüm:
Ich war mega froh. Die Frauen, welche mich unterstützt und begleitet haben, fand ich toll und ich konnte bei jeder zu unterschiedlichen Themen Fragen stellen. Ich fand es nicht schlimm, wenn sie manchmal auch etwas geschimpft haben, wenn ich mich nicht so gut an die Diabetesregeln gehalten habe. Sie haben mich auch dabei unterstützt, dass ich im Sommer ins Diabeteslager gehen konnte, wo es mir sehr gut gefallen hat.

Kinderspitex: Hat dich auch etwas genervt?

Gülsüm:
Ich fand eigentlich alles gut, ich habe mich nur über mich selber geärgert, wenn ich zu spät von der Schule nach Hause kam und sie auf mich warten mussten.

Kinderspitex:
Was hilft dir im Umgang mit dem Diabetes?

Gülsüm:
Ich bin froh, wenn Erwachsene mir beim Rechnen helfen und mich ans Insulin-Spritzen erinnern.

Ich fand es toll im Diabeteslager, da wir vieles gemeinsam gemacht haben. So haben wir z.B. alle zusammen den Blutzucker gemessen, beim Essen schöpfen sind wir alle miteinander angestanden und jeder hat so viele Kohlenhydrate geschöpft bekommen, wie vorher abgemacht worden ist. Es macht mich nicht fröhlich, wenn andere Kinder auch Diabetes haben, da ich weiss, was das im Alltag bedeutet, aber ich fühle mich nicht allein damit, im Austausch mit anderen Diabetikern.

Kinderspitex:
Was sind denn deine Hobbies? Gibt es da Einschränkungen wegen deinem Diabetes?

Gülsüm:
Ich spiele sehr gerne Fussball und bewege mich grundsätzlich gerne. Ich spiele Klavier, male und bastle. Ich fühle mich da nicht eingeschränkt, ich muss einfach bei der Bewegung darauf achten, dass mein Zuckerwert nicht zu tief wird, durch Aufregung kann er aber auch erhöht werden. Eigentlich muss ich auf nichts verzichten, was ich gerne mache, ausser eben manchmal beim Essen.

Kinderspitex:
Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Gibt es bei der Berufswahl Einschränkungen?

Gülsüm:
Ich möchte Diabetesberaterin werden. Ich meine, ich dürfte nicht Busfahrerin werden, da das zu gefährlich ist, wenn ich plötzlich eine Unterzuckerung habe während des Fahrens. Aber das ist eh nicht ein Berufswunsch von mir.

Kinderspitex:
Gibt es etwas, was du anderen Kindern mit Diabetes sagen möchtest?

Gülsüm:
Ich möchte ihnen sagen, dass sie keine Angst haben müssen. Es ist manchmal doof, aber nicht sehr schlimm. Es kann gefährlich sein und auch Folgeerkrankungen nach sich ziehen, aber nicht, wenn man gut schaut, dass man richtig mit dem Diabetes umgeht. Andere Kinder haben mich schon gefragt, was ich schlimmer fände, Krebs oder Diabetes. Wie gesagt, beim Diabetes kann man die notwendigen Massnahmen treffen und dann ist es sicher weniger schlimm als Krebs und man kann gut damit leben.

Herzlichen Dank dir, Gülsüm, für das Gespräch.

 

// Text: Bettina Rothenberg, Einsatzleiterin und Margreth Bossart, Pflegefachfrau HF
// Im Bild: Gülsüm mit Pflegefachfrau Nicole Valentin