Elia – Vom Erwachsen-Werden

Elia ist ein junger Mann wie viele andere und doch ist sein Leben ein anderes. Seit vielen Jahren wird er in der Langzeitüberwachung von der Kinderspitex und von seinem Epi-Hund «Sunny» begleitet.

Elia lebt mit dem Dravet-Syndrom. Das bedeutet, dass es seit seiner Geburt zu Epilepsieanfällen während des Schlafens kommen kann. Aber auch tagsüber kann es zu Absenzen führen. Er braucht ständige Begleitung und Überwachung. Aufgrund seiner Grunderkrankung sind auch seine motorischen und kognitiven Fähigkeiten in Mitleidenschaft gezogen. So braucht Elia beispielsweise beim Treppenstiegen oder Schneiden Unterstützung. Doch trotz seinem kindlichen Wesen ist Elia zu einem jungen Mann herangewachsen.

Um die Eltern in dieser dauernden Überwachung zu unterstützen, übernehmen wir von der Kinderspitex für einige Nächte während der Woche die Überwachung und bei Bedarf einen Abendeinsatz. So kommen die Eltern zu ihrem Schlaf und bleiben auf lange Sicht bei Kräften. Dies ist bei der Langzeitüberwachung immer wieder ein wichtiger Aspekt. Medizinisch gesehen, können die Eltern diese Überwachung gewährleisten. Bei einem Notfall müssen sie in der Lage sein, sofort und richtig zu reagieren. Durch die professionelle Pflege der Kinderspitex kommen jedoch auch die Eltern zu den dringend notwendigen Pausen. Während der Nacht überwachen wir regelmässig seine Vitalzeichen. Leider ist ein drohender Anfall anhand der Herzfrequenz oder Sauerstoffsättigung nicht erkennbar. Plötzlich wie aus dem Nichts überkommt ihn ein solcher. Anhand seiner Atmung erkennen wir einen Anfall. Die Anfälle werden in vier Kategorien eingestuft, von sehr leicht bis stark tonisch-klonisch. Durch Stimulation auf der Haut versuchen wir, den Anfall zu bremsen und achten darauf, dass Elia das Gesicht für genügend Sauerstoff frei hat und er sich durch unkontrollierte Bewegungen nicht verletzen kann. Dabei stoppen wir die Zeit und protokollieren die Vitalwerte. Das Notfallmedikament muss eingesetzt werden, falls der Anfall länger als drei Minuten dauert und ist stets in greifbarer Nähe. Die Anzahl der Anfälle pro Nacht sind sehr unterschiedlich. Je nach dem treten mehrere Anfälle in verschiedener Stärke auf oder Elia kann anfallslos schlafen.

Manchmal erwacht Elia und hat einen Wunsch. Er kennt uns alle und spricht uns immer mit dem richtigen Namen an und er möchte immer wissen, wie es mir und meiner Familie geht, lässt einen Gruss ausrichten und freut sich sehr, wenn er einen Gruss von meiner Seite zurückbekommt.

Im Abendeinsatz wird Elia beim Duschen oder Baden unterstützt. Nach dem Nachtessen und der Medikamenteneinnahme darf er wählen, welches Spiel er machen möchte. «Uno» steht hoch im Kurs oder im Sommer draussen Hockey oder Badminton spielen. Dabei nimmt er es manchmal mit den Spielregeln nicht so ernst und freut sich, wenn er tricksen kann. Vor dem Schlafengehen wünscht er immer eine Gutenachtgeschichte. Seine Lieblingsbücher sind Pingu und das Dschungelbuch. Vor dem Lichter löschen ist es ihm wichtig, dass er sich verabschieden und allen Familienmitgliedern, inklusive Tiere, liebe Grüsse ausrichten kann. Auch die Abendeinsätze gehören in die Überwachung, denn auch da braucht Elia dauernde Aufsicht. Kommen wir auf die Nachtwache, kann endlich auch Sunny - sein Epi-Hund - eine Pause einlegen. Und so kommt es in den ruhigen Nachtstunden schon einmal vor, dass wir bei seltsamen Geräuschen aufschrecken und merken, dass es nicht ein beginnender Epianfall, sondern das Schnarchen eines entspannten Hundes ist.

Ein grosses Hobby von Elia ist Fussball. Er spielt aktiv in einer Fussballgruppe. Er ist gerne mit Tieren zusammen und liebt die Natur. Die Eltern unternehmen an den Wochenenden viel mit Elia, davon und von all dem, was er sonst erlebt, erzählt er uns immer gerne und da sprudelt es nur so begeistert aus ihm heraus.

Im Sommer 2022 gab es für Elia und seinen Eltern eine grosse Veränderung, er verliess die Heilpädagogische Schule. Seit August verbringt er einen Tag auf einem Bauernhof, die restlichen Werktage ist Elia in der Epiklinik in Zürich untergebracht. Dort liebt er am meisten die Arbeit mit den Tieren. Die Nächte verbringt er in einer betreuten Wohngruppe. Nebst der Klinik und unseren Einsätzen wird die Familie von der langjährigen Assistenz begleitet, da Elia immer begleitet werden muss. Und so ist die Familie aktuell auf der Suche nach einer jungen oder junggebliebenen Person, welche Elia auch sportlich auspowert, denn dies braucht Elia für seinen Ausgleich. Wer sich angesprochen fühlt, darf sich gerne melden.

Im Herbst 23 wird Elia 20 Jahre alt. Dies bedeutet, dass wir von der Kinderspitex mit unseren Einsätzen aufhören und Elia ganz in die Erwachsenenpflege wechseln wird. So werden sich unsere Wege leider trennen und wir wünschen Elia und seinen Eltern bereits jetzt eine gute Zeit und viele neue Abenteuer.

// Text: Vania Hälg und Monika Hager
// Im Bild: Elia mit seinen Eltern