Amy – wenn Mütter krank werden

Die Kinderspitex ist da, wenn Kinder und Jugendliche erkranken. Doch was geschieht, wenn die pflegenden Eltern ausfallen? Der nachfolgende Bericht macht deutlich, dass selbst ein normaler Alltag für Familien mit einem kranken Kind keine Selbstverständlichkeit ist.

Vor ein paar Monaten wurde Amy bei uns angemeldet - ein 15-jähriges Mädchen, das seit ihrer Geburt an einer körperlichen und geistigen Behinderung leidet. Zum Zeitpunkt der Anmeldung war Amy einmal mehr wegen einer schweren Atemwegserkrankung hospitalisiert. Schon beim ersten Gespräch und Einblick in die Familie war für uns ersichtlich, dass die Pflege von Amy sehr intensiv und zeitaufwendig ist. Zudem benötigt Amy eine 24h-Überwachung, da jederzeit mit einem medizinischen Notfall gerechnet werden muss. Wir haben erfahren, dass die Mutter seit gut einem Jahr den grössten Teil dieser Pflege selbständig abdeckt. Zuvor unterstützte sie Amy’s Vater – der unerwartet verstorben ist.

Kommt es bei Amy zu einem Notfall, weiss die Mutter, wie sie reagieren muss. Damit ein rasches Handeln möglich ist, muss man Amy sehr gut kennen, dafür geschult sein oder über eine medizinische Ausbildung verfügen. Aus diesem Grund kann Amy auch nur von wenigen gezielten Personen beaufsichtigt und gepflegt werden.

Vor der Corona-Pandemie verbrachte Amy die Wochentage in der Stiftung Zentrum Oberwald und die Wochenenden zu Hause. Da jedoch eine Ansteckung mit dem Coronavirus bei Amy als sehr gefährlich eingeschätzt wurde und sich ihr Allgemeinzustand verschlechterte, hat sie die ganze Zeit - seit Beginn der Pandemie - zu Hause gewohnt. Die Mutter hat die gesamte Pflege und die 24h-Überwachung übernommen und mehrheitlich alleine durchgeführt.

Mit drei Einsätzen pro Woche übernehmen wir von der Kinderspitex nun einen Teil der Pflege von Amy. Die Mutter kann während dieser Zeit andere Tätigkeiten erledigen oder sich auch mal kurz von der hohen Belastung erholen. Schlussendlich lastet die ganze Verant-wortung auf ihr. 

Doch was geschieht, wenn die Mutter selber mal ausfällt?

Vor kurzem hatte die Mutter von Amy selber ein medizinisches Problem und musste vorübergehend hospitalisiert werden. Für die Pflege und Betreuung von Amy musste sehr kurzfristig eine Lösung gesucht werden. Dank der spontanen Mithilfe vom Zentrum Oberwald konnte die Betreuung von Amy weiterhin gewährleistet werden, damit sich ihre Mutter medizinisch untersuchen und versorgen lassen konnte. 

Dies macht deutlich, wie fragil ein solches Familiensystem ist und in welche Notsituationen eine Familie innert kürzester Zeit geraten kann. Denn bevor sich die Mutter in Spitalpflege begeben konnte, musste sie die weitere Pflege von Amy organisieren. Dies war nur möglich, da das professionelle Pflege- und Betreuungsnetz kurzfristig eingesprungen ist und übernommen hat. 

So erwähnt die Mutter in einem Gespräch: 
«Ich bin froh, dass es die Kinderspitex gibt. So muss ich mir keine Sorgen machen, dass ich Amy für längere Zeit weggeben müsste. Amy kann zu Hause sein und ich kann mehr Zeit mit ihr verbringen und diese geniessen. Da immer wieder die gleichen Mitarbeiterinnen in den Einsatz kommen, hat Amy weniger Stress und kann sich in ihrer gewohnten Umgebung entspannen. Seit die Kinderspitex bei uns im Einsatz ist, kann ich das Haus mit einem guten Gefühl verlassen, in Ruhe den Wocheneinkauf erledigen und meine Arzttermine etc. wahrnehmen.» 

Diese Worte zeigen, dass es gerade für Mütter, die ihr krankes Kind alleine pflegen, schon das in Ruhe erledigen der alltäglichen Arbeiten wie ein Wocheneinkauf keine Selbstverständlichkeit sind. Deshalb ist ein gutes Zusammenarbeiten der Familie, Kinderspitex und den stationären Diensten unabdingbar. 

 

// Text: Mirjam Guldimann, Fall- und Personalführungsverantwortliche
// Im Bild: Amy mit Pflegefachfrau Karin von Arx